Kurzfassung
Heutzutage sind 66,2% der Weltbevölkerung über das Internet miteinander verbunden. Der Zugang zu digitalen Informationen ist ein fundamentales Menschenrecht, das soziale Inklusion und Chancengleichheit fördert. Jedoch weisen die meisten Webseiten Barrierefreiheitsfehler auf, die für Nutzer*innen mit Beeinträchtigungen eine erhebliche Hürde darstellen. Als potenzielle Lösungen für verbesserte Zugänglichkeit sind sogenannte “Accessibility Overlays” entstanden. Sie werden oft als Symbolleiste oder Widget auf einer Webseite angezeigt und ermöglichen es Nutzer*innen, ihr Navigationserlebnis durch verschiedene Anpassungen, wie zum Beispiel Änderungen der Schriftgröße oder des Farbkontrastes, per Mausklick, anzupassen. Einige Overlays nutzen außerdem Künstliche Intelligenz (KI), um Barrierefreiheitsfehler im Webseiten-Code zu erkennen und automatisch zu korrigieren. Obwohl Accessibility Overlays Barrierefreiheit und Zugänglichkeit beabsichtigen, werden sie von Teilen der Barrierefreiheits-Community aufgrund von Bedenken hinsichtlich ihrer Effektivität und Zielsetzung stark kritisiert.
Diese Masterarbeit untersucht die Auswirkungen von Accessibility-Overlays auf die Benutzungsfreundlichkeit und Nutzungserfahrung von Menschen mit dauerhafter Sehbeeinträchtigung. Die Arbeit adressiert damit eine existierende Lücke in der akademischen Forschung. Da etwa 4,3% der Weltbevölkerung eine visuelle Beeinträchtigung haben und diese Zahl aufgrund von Bevölkerungswachstum und -alterung weiter ansteigt, ist dieser Schwerpunkt relevant und zeitgemäß. Die durchgeführte Forschung umfasst eine Evaluierungsstudie, die in zwei Teile gegliedert ist: eine technische Evaluierung von Accessibility-Overlays anhand der WCAG 2.1 und eine Nutzer*innen-Studie, die Benutzungsfreundlichkeit und Nutzungserfahrung von 21 Personen mit dauerhaften Sehbeeinträchtigungen bei der Interaktion mit Webseiten, die ein Accessibility Overlay integriert haben, bewertet. Zusätzlich liefern Interviews mit zwei Berater*innen für Barrierefreiheit und zwei Unternehmensvertretern von Accessibility Overlays einen ergänzenden Beitrag zur Diskussion.
Die Ergebnisse zeigen, dass Accessibility Overlays in ihrer derzeitigen Form die Benutzungsfreundlichkeit und Nutzungserfahrung für Personen mit dauerhaften Sehbeeinträchtigungen nicht signifikant verbessern. Obwohl eine leichte Verbesserung eintritt, wenn Benutzer*innen sich der Existenz eines Overlays nicht bewusst sind, wird die Nutzungserfahrung und Benutzungsfreundlichkeit insgesamt bestenfalls als marginal angesehen und verschlechtert sich, sobald ein Overlay erkannt und damit interagiert wird. Darüber hinaus zeigt die Forschung, dass Accessibility Overlays die WCAG 2.1 AA-Standards aktuell nicht erfüllen können. Die Studie kommt auch zu dem Ergebnis, dass Nutzer*innen generell zögern, sich auf Accessibility Overlays einzulassen und es vorziehen, sich auf ihre vorhandenen Zugangstechnologien zu verlassen. Allerdings sind die Nutzer*innen bereit, eine potenziell verbesserte Version von Accessibility Overlays zu nutzen, wie sie in dieser Masterarbeit abschließend diskutiert wird. Das gewonnene empirische Wissen dient als Orientierungshilfe für zukünftige Technologien, Designs, Richtlinien und Forschungsarbeiten, die darauf abzielen, eine inklusivere digitale Welt zu kreieren.
Schlüsselwörter: Barrierefreiheit im Web, Accessibility Overlay, Accessibility Tool, Accessibility Widget, Benutzungsfreundlichkeit, Nutzungserfahrung, Sehschwäche, Blind, Sehbeeinträchtigung, Beeinträchtigung, Sehbehinderung, Behinderung